Leben in Freiheit heisst mit Verantwortung weise und ökonomisch umgehen.
Die Feinde der Freiheit möchten die Bürger seit je lieber wie Kinder behandeln, denen zuviel Freiheit nicht zuzutrauen ist. Diese neuen Totalitaristen sind heute auf der linken Seite des politischen Spektrums zu verorten.
In der offenen, pluralistischen, lebendigen Stadt, in der ich lebe, in dieser Stadt, wo der Bänker und der Sozialhilfeempfänger, die Putzfrau "mit Migrationshintergrund" und die Versicherungskauffrau im gleichen Tram zur Arbeit fahren und dabei eine gewisse Lockerheit, Eleganz und auch Toleranz an den Tag legen, in dieser grössten Stadt eines kleinen Landes, wo Erfolg möglich ist und auch gefeiert wird, lässt sich gut leben.
Hier atmet eine Weltoffenheit, wie man sie in den meisten anderen Städten der Schweiz vermisst!Der sehr fähige Journalist
Jean-Martin Büttner rieb sich - anlässlich seiner Rükkehr an die Limmat nach Jahren in Genf und Bern - in einer Tagesanzeiger-Kolumne (hier leider ohne Link) vor ein paar Tagen verwundert die Augen: die Stadt, die er von seiner Zeit als Jugendunruhiger in den Achtzigern als
Hort asozialer Finanzgnome und verstockter Füdlibürger kannte, diese kalte Wirtschaftsstadt hat sich zum lebenswerten, genussvollen und kreativen Wunder gewandelt, das die halbe Schweiz wie ein Magnet anzieht und über die Landesgrenzen hinaus strahlt.
Am Anfang der Neunziger Jahre stand die faktische Aufhebung der Polizeistunde mit einer liberalen Bewilligungspraxis für Beizen, Clubs und Veranstalter jeglicher Art. Der Sektor boomte, Zürich wurde zur Party-Metropole.
Der sozialdemokratische Stapi Elmar Ledergerber vermarktete die Stadt geschickt und holte einige Megaevents an die Limmat und dem Kulturzirkus wurde jenen Stellenwert zuteil, den er in einer solchen Stadt innehaben muss.
Aber die griesgrämigen Gnomen sind nicht verschwunden. Sie ziehen sich heute einfach ein linkes Gewändchen an, ihnen ist die ach so kommerzialisierte Gegenwart ein Dorn im Auge.
Freude ist des Teufels! Jeder Franken, den jemand an jungen Leuten verdient, die sich doch einfach nur amüsieren wollen, wird mit Argwohn betrachtet, das sündige Treiben veursacht nur Probleme und wer daran noch verdient, ist gewiss ein besonders niederträchiger Geselle - die genüssliche öffentliche Hinrichtung des Carl Hirschmann (Jude und Sohn neureicher Eltern) war ein Lehrstück, wie dieser alte neue Konservatismus funktioniert.
Ja, es gab bei Messerstechereien Verletzte, es gab Schlägereien im ehemaligen Industriequartier hinter den sieben Gleisen, in dem sich Club an Club reiht. Es gab eines Samstagnachts unlängst sogar einen nach einer Messerstecherei unter Jugendlichen tödlich Verletzten.
Aber im Grossen und Ganzen ist Zürich eine sehr sichere Stadt mit viel Lebensqualität und dies dank des kulturellen und des Freizeitangebots, weswegen sie auch in internationalen Rankings immer wieder in den ersten Rängen landet.
Das interessiert die Gnomen beim Tagesanzeiger natürlich nicht.
Lieber bauschen sie rechtzeitig zum Sommerloch die Probleme auf und fordern wieder mehr Ordnung und Ruhe. Und als nützlichen Idioten treibt der Tagesanzeiger den Strafrechtsprofessor Martin Killias auf, der die
"Wiedereinführung der Polizeistunde empfiehlt.
Weil in der S-Bahn die Leute zuviel Abfall in den Ghüderkübel werfen, montiert man diese
kurzerhand ab. Wenn drei Tage lang das grösste Volksfest des Landes mit zwei Millionen Besuchern tobt, dann bringt es der Tagi fertig, danach drei Tage lang über die Abfallmengen zu jammern, die beim letzten Züri-Fäscht vor drei Jahren leicht geringer ausgefallen waren.
Überhaupt scheinen beim Wort "Abfall" zwinglianische Urängste bei einigen Zürchern aufzubrechen.
Leben produziert Abfall, und intensiv leben noch viel mehr - get over it!Und von links bis rechts stürzen sich die Biedermänner und -frauen auf einen Wirt, der auf dem Hausberg ein paar Quadratmeter halt gegen das restriktive Baureglement überbaut,
damit die Touristen und Familienausflügler dort oben auch eine Portion Pommes Frites oder eine Bratwurst essen können und nicht im teuren Restaurant mit weissen Tischtüchern viel Geld ausgeben müssen. Grüne Konservative, die am Zürichberg Eigentum haben, treten auf den Plan, um auf dem Üetliberg ein drohendes "Disneyland" zu verhindern.
Beim "Bottelon" vor zwei Jahren waren die linken Lustfeinde und bürgerlichen Kontrollfreaks wochenlang im publizistischen Ausnahmezustand wegen ein paar Tausend Jugendlichen, die sich zum sinnlosen Saufen verabredeten. Die oberste Polizistin der Stadt nannte die Teilnehmer damals sogar
"krank im Hirn".
Und weil Zürich mittlerweile die
Partystadt der ganzen Deutschschweiz ist, zieht das halt Jugendliche an, die lieber ein Bisschen am "HB" rumhängen und Bier aus Blechdosen konsumieren (statt dafür ein kleines Vermögen auszugeben in einem der Clubs).
Was mich stört, ist weniger die Haltung, Missstände - die es zweifellos gibt - zu bekämpfen.
Mich stört, dass man vor lauter Gutmenschheit nicht mehr klare Regeln im Alltag aufstellt und nötigenfalls konsequent durchsetzt - ja auch mit Polizeigewalt - sondern gleich damit droht, das ganze liberale Konzept aufzuheben, weil sich einige daneben benehmen. Die grosse Mehrheit soll wegen der Wenigen auf ihre Freiheit vezichten.
Auf der anderen Seite werden der Polizei seit Jahren die Hände gefesselt.
Stattdessen schickt man ein lächerliches Gschpürschmi-Trüppchen los, das am Samstagabend den Jugendlichen gut zuredet und ihnen sagt, sie sollen doch bittesehr die Bierbüchsli in den Abfallkübel werfen.
Am besten fand ich vor Jahren den Anschlag in meiner Uni-Bibliothek: "Die Bibliotheksbenutzer werden aufgefordert, draussen zu rauchen. Wenn bis zum 31. des Monats noch drinnen geraucht werden sollte, wird seitens der Bibliotheksleitung ein Rauchverbot für das ganze Gebäude erlassen!"
Wir verbieten mal und wenn das nicht zieht, machen wir ein Verbot. Alles klar?