Cocktails, gebrannte Wasser, Zigarrendunst -- die Gespräche an Orlandos Bar drehen sich um Medienkritik, Kultur, Philosophie, um Gesellschaftspolitik, Religion, Familie und Erziehung, um Mann und Frau -- und ums Kochen. Gejammer, Gelächter, Angeberei sowie gepflegte Beschimpfungen sind an der Tagesordnung.



Samstag, 9. Juli 2011

Ääääääätsch - hereingefallen!

Immer einen Schritt voraus sein - das ist meine Devise!

Da der Testlauf mit dem Blumengarten wie erwartet fehlschlug und - wie wir es kalkuliert hatten - sich die Spreu vom Weizen noch viel deutlicher und schneller trennte, als wir es uns erträumen konnten, findet sich der definitive neue Blog nun an seinem richtigen Ort. Den zu erfragen laden wir jeden und jede ein.

Die bereits Eingeweihten erhalten die neue Adresse natürlich per Mail zugeschickt.

Andere sind herzlich eingeladen, sich zu bewerben:
ha2pe@yahoo.com oder milas.plc@gmail.com

Wer den Kinderkram in der Lounge und das belanglose, politisch korrekte Blabla im Mamablog satt hat und sich stattdessen nach einer echten Erwachsenencommunity sehnt - der ist bei uns am richtigen Ort!

Samstag, 2. Juli 2011

Die Bar ist umgezogen...


...an einen neuen, hübschen Ort. Und ist zu einem interessanten Projekt mit interessanten Beteiligten geworden.

Zu gegebener Zeit wird das Ganze strategisch klug vernetzt, fürs Erste gelangt man dorthin indem man sich anmeldet auf

ha2pe@yahoo.com

Von dort wird man weitergeleitet an den neuen Ort.

Diese Massnahme dient dazu, eine gewisse Kontrolle zu haben, wer mitwirkt und mitliest, ganz so, wie man nicht jeden dahergelaufenen Idioten an seinem Stammtisch haben möchte.

Wir freuen uns, Euch am neuen Ort wieder begrüssen zu dürfen.

Orlando & Mila

Sonntag, 12. Juni 2011

The End.

Orlando's Bar bleibt bis auf Weiteres geschlossen.


Das Management dankt für Ihre Treue und bittet um Ihr Verständnis.
Mit den besten Empfehlungen, auf ein baldiges Wiedersehen

Ihr Orlando

Montag, 30. Mai 2011

Die Schweiz tickt eben anders!

„Die Gebärmütter haben also über den phallischen Atomstecker gesiegt“

(Regula Stämpfli in der Berner Zeitung)

Ein Sieg also! Aus Diskursen geht man (oder eher eben frau) als Sieger hervor – ganz besonders, wenn man ihnen eine genderrelevante Note abringen kann? Danke, Regula Stämpfli, ich werde es mir merken.

Die üblich verdächtige Presse überschlägt sich mit Lobpreisungen und erquicktem Quietschen über den bundesrätlichen Richtungsentscheid von letzter Woche: Ausstieg aus der Kernenregie. Bis 2035. Dann soll auch das letzte Atomkraftwerk auf Schweizer Boden abgeschaltet werden. Entschieden hat – obwohl die Stimmverhältnisse geheim sind – nach Ansicht der Schweizer Medienöffentlichkeit die Frauenmehrheit im Rat mit Simonetta Sommaruga, Eveline Widmer-Schlumpf, Doris Leuthard und Micheline Calmy Rey. Unsere Landesväterinnen!

Heute begrüsst ein witziger Chefredaktor im Sonntagsblick euphorisch den Entscheid: „Seit letztem Mittwoch, 12.45 Berner Zeit haben (…) hierzulande jetzt nämlich die Frauen das Sagen. (…) Sie haben entschieden, was Millionen von Menschen nach Fukushima gehofft haben. Sie haben Vernunft vor Geld gestellt. Verstand vor Macht. Respekt vor dem Quartett. Weiter so!“.

Bloss: was ist entschieden? Welche „Macht“ hat ein solcher bundesrätlicher Entscheid? Als wie endgültig „vernünftig“ darf er gelten? Tatsächlich gilt: Weder verlangt das System Schweiz nach einem solchen noch ist in diesem Land die Exekutive letztinstanzlich für solche Entscheide zuständig!

Es ist eine lauwarme Empfehlung, eine magistrale Absichtsbekundung – nicht weiter relevant für das demokratische Wesen dieses Landes. Weder gehören dem Bund die AKWs noch hat er zu seiner Von-Oben-Herab-Entscheidung das Parlament befragt. Es gibt noch nicht mal einen Gesetzesartikel, keine Verordnung, die dem Scheiss Legitimität verleiht. In der Schweiz gibt es kein Regierungsprogramm. Es gibt nur Regierungskompromisse, und die sind an der Urne schon oft gescheitert.

Eine lahme, durchschaubare PR-Finte also der Regierungsmitglieder in ihrer ganzen zauberformligen Zusammensetzung als Auftakt zum Wahljahr. Keine kritische Frage wird gestellt, auf wessen Seite die unkritischen Medien in diesem Lande stehen!

Es wird damit nichts weniger die Verluderung der politischen Führung dieses Landes manifest, die heute schon so regiert, wie es in Regierungs-Oppositionssystemen der Fall ist: vor Wahlen schmeichelt man populistischen Strömungen (z.B. der Anti-AKW-Psychose nach Fukushima) und hofft für sein Parteihäufchen das beste herauszuholen. Und der Sonntagspresse gegenüber erinnert man sich wieselhaft urplötzlich der Tatsache, dass man als Vertreter einer Partei – und nicht von Gottesgnaden – in die Regierung gewählt wurde.

***

Ehrlicher und auch lustiger ist da der oberste eidgenössische Komödiant des De-Weck’schen Staatsfernsehens. Viktor Giacobbo wird im grossen Sonntagszeitungs-Interview dämlicherweise gefragt:

„Im Vergleich zu Harald Schmidt oder der ‚Daily Show’ wirkt Giacobbo/Müller sehr nett, sehr schweizerisch.“ – „Wie soll sie sonst wirken? Argentinisch? Die Sonntagszeitung wirkt gegenüber der New York Times auch sehr schweizerisch. Deswegen braucht niemand einen Minderwertigkeitskomplex zu kriegen.“

***

Und unser aller Lieblingsintellektueller unter den SVP-Volksvertretern in Bundesbern, Christoph Mörgeli, lässt uns in der Weltwoche an folgender Passage aus Christoffel von Grimmelshausens „Simplicissimus“ teilhaben, in der der durch die Wirren des Dreissigjährigen Krieges (1618-48) kurzfristig ins „Paradies“ verschlagene Titelheld die Schweiz beschreibt:

„Das einzig Land, darin der liebe Fried noch grünete. Da sah ich die Leute in dem Frieden handeln und wandlen, die Ställe standen voll Vieh, die Bauernhöf liefen voll Gäns und Hühner und Enten, die Strassen wurden sicher von den Reisenden gebraucht, die Wirtshäuser sassen voll Leute, die sich lustig machten. Da war ganz keine Furcht vor dem Feind, keine Sorg vor der Plünderung und keine Angst, sein Gut, Leib noch Leben zu verlieren. Ein jeder lebte sicher unter seinem Weinstock und Feigenbaum (…) in lauter Wollust und Freud, also dass ich dies Land für ein irdisch Paradies hielt.“

Wo sind solcherlei verbürgte Furcht- und Sorglosigkeit hin, wohin die helvetische Wollust und Freud entschwunden? Wo bleibt unser Stolz, Leute? Die modernen Schweizer wollen lieber so sein, wie das ganze mediokre Europa und die miserable Welt. Sie schämen sich dessen, was ihre Vorfahren in harter Arbeit hervorgebracht haben.

Donnerstag, 19. Mai 2011

DSK in jail - Wachstumsfeindlichkeit

Mundart statt Hochdeutsch im Kindergarten - eine weitere Niederlage haben die "Bildungsexperten" in den Kantonen Zürich und Basel-Stadt eingefahren: das Stimmvolk hat Initiativen zugestimmt, die sich gegen die selbstherrliche Politik der Bildungsbürokraten wendeten und damit einmal mehr klargemacht, wer Herr im Haus ist. Gut so. Eine weitere Abstimmung, die Grundlegendes konstatiert ohne allzuviel Schaden anzurichten. Die Jagd auf HarmoS und Lehrplan 21 geht damit in eine weitere Runde. Lean back, watch and enjoy!
***
Ein wenig Schadenfreude ist schon dabei - nach Tagen des Herumrätselns, was von der Verhaftung Dominique Strauss-Kahns zu halten sei (Hetzjagd gegen den ungebändigten Mann? Hinrichtung eines Scheusals? Eine Polit-Intrige?) überwiegt jetzt bei Orlando die Belustigung darüber, wie herrlich à l'américain da der Gestrauchelte vorgeführt wird (vor der gestrengen Richterin namens Melissa Jackson! LOL!), in Handschellen, flankiert von kaugummikauenden, unförmigen latino- und afroamerikanischen Polizisten und Polizistinnen und grimmig blickenden Ermittlungsbeamten. Melting-Pot-Stolz: du kannst sein, wer du bist und tun was du willst und dir leisten kannst, aber wenn du dich mit deinen dreckigen Fingern an einer von uns vergreifst (in casu: eine schwarze Hotelangestellte), dann verstehen wir keinen Spass mehr!
Nein, es ist Schadenfreude pur: diese ekligen linken Franzosen, die sich allzugern für die ach so kultivierte Speerspitze der sophisticated-aufgeklärten Moderne halten - und ganz besonders im Gegensatz zu den verwilderten Amerikanern und ihrem primitiven Kapitalismus - diese widerlichen kleinen altlinken Chauvinisten, mit ihrer "Kultur" (die längst auf europäisches Mittelmass geschrumpft ist) die nichts weiter ist als nihilistische, perverse Libertinage: was vielleicht in den Siebziger Jahren noch schick war, heute ist es nur noch peinlich.

***

"Politgeograf" Michael Hermann lässt sich ja fast täglich zu irgendeinem Thema vernehmen in den Schweizer Medien; kein Blättchen oder TV-/Radio-Station, die
den Politologen nicht in ihrem Fundus von "Experten" hätte, wenn man wiedermal eine (trendig-wendige) Meinung braucht um die Sendezeit zu füllen und sich nicht selber etwas ausdenken mag. Im Gegensatz zum strammen Links- und Nettkurs der meisten seiner Berufskollegen (Andreas Ladner, Regula Stämpfli et mult. al.) überrascht der Berner in letzter Zeit mit fast versöhnlichen Tönen der Erzfeindin aller Kommentatoren, der "populistischen" SVP, gegenüber. Auch schreibt er in seiner TA-Dienstagskolumne folgende Sätze, die Orlando nur unterschreiben kann:

Es sind die Bilder meiner alten Heimat, die unweigerlich vor meinem inneren Auge erscheinen, wenn ich die zunehmend schrillen Klagen über Zuwanderung, Bevölkerungswachstum und «Dichtestress» lese. Ebenso denke ich an die 90er-Jahre, als die Schweiz wirtschaftlich aus dem Tritt geraten war und jahrelang das Wachstumsschlusslicht Europas
bildete. Endlich haben wir das ersehnte Wachstum, endlich geht die Post ab. Doch statt uns für die einzigartige Wachstumsdynamik in weiten Teilen dieses Landes zu begeistern, führen wir einen Krisendiskurs und machen Milchbüchlein-Rechnungen über Kosten und Nutzen der Personenfreizügigkeit. Dabei sind die Alternativen klar: Sie heissen Wachstum oder Stagnation. Wohlstand lässt sich nicht konservieren, und aus Stagnation wird schnell einmal Degeneration. Wenige sogenannte Global-City-Regions wie die Grossräume um München, Barcelona oder Kopenhagen werden in Zukunft die florierenden Wachstumspole Europas bilden, während sich weite Gebiete zwischen Galizien und Schleswig-Holstein mehr und mehr entleeren – ganz zu schweigen vom östlichen Europa, wo die Bevölkerungszahlen längst sinken. Mit dem Arc Lémanique und der Achse Basel–Zürich–Luzern besitzt die Schweiz gleich zwei urbane Wachstumspole, die sich im verschärften globalen Wettbewerb der Talente und Unternehmensstandorte behaupten. Immer grösser scheint bei uns jedoch die Sehnsucht nach «Little Big City» zu werden. Wer dieses einst von Zürich Tourismus propagierte Selbstbild der Limmatmetropole wiederbeleben möchte, sitzt einer Chimäre auf. Wie schon in der Zeit der Industrialisierung erleben wir gegenwärtig eine Neuordnung der Wirtschaftsgeografie Europas. Und da können wir nicht zugleich klein und überschaubar bleiben und gross und erfolgreich sein. In der von der Industrialisierung und dem Eisenbahnbau angetriebenen Gründerzeit im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts verdoppelte sich die Bevölkerung Zürichs in etwas mehr als einem Jahrzehnt, und die Kritik am unbegrenzten Wachstum war gross. Doch der liberale Unternehmergeist eines Alfred Escher behielt die Oberhand: Es wurde die Basis für einen der attraktivsten Lebens- und Arbeitsräume Europas geschaffen. Wie schon in der Gründerzeit ist das Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum heute eine Kraft, die Wandel bringt, Altes verdrängt und Neues schafft. Ob man in diesem Wandel vor allem Chancen oder Risiken sieht, ist zu guten Teilen subjektiv. Das gilt insbesondere für die Fragen der Enge und der Überbevölkerung.

Freitag, 13. Mai 2011

Panne bei Blogspot - Bar lahmgelegt, Pächter hilflos!

Aufgrund technischer Probleme meines Bar-Vermieters, der in Kalifornien seinen Wohnsitz und seine Supeduperrechner stehen hat, war die Bar seit gestern Abend irgendwannmal bis soeben nicht mehr zu erreichen. Jedenfalls waren meine werten Gäste *knicksmach* nicht mehr in der Lage zu Kommentieren, ebensowenig wie Orlando in der Lage war, nach hinten zu gehen und all den Zauber auszuüben, nach dem sich seine Gäste so sehnen: er war ausgesperrt, wie ihr alle!

Die Blogspot-Manager haben nun offenbar Massnahmen ergriffen, sich von ihrem Long Island Ice Tea in ihrer Villa in Santa Monica wegbegeben und das Problem gelöst. Soeben übersandten sie folgendes Bild, das eindrücklich zeigt, woran das Problem lag:


(Es war natürlich das hellgelbe Kabel rechts unten, das - womöglich von der illegalen mexikanischen Putzfrau beim Staubsaugen versehentlich rausgerissen und schusselig am falschen Ort wieder eingesteckt - im Slot B2-34 steckte. Völlig falsch! Es sollte zwei Stecker weiter änen sein, in B2-32! Wie doof kann man eigentlich sein?)

Was nun einerseits beweist, dass seit der linken Machtübernahme in Washington die Supermacht nicht mehr in der Lage ist, selbst selbstverständliche Dinge auf die Reihe zu kriegen, wie etwa eine präemptive, aktive Aussenpolitik, oder z.B. für mich armen Europäer einen kleinen Server in Stand zu halten. Und andererseits sind die Techniker im Sillikontal offenbar zu bekifft um zu merken, dass hier Leute in der fernen Schweiz mit zittrigen Händen, nervös rauchend und mit schon praktisch leerem Flachmann vor der Tür stehen und mit heiserer Stimme und panischem Blick verzweifelt an die Tür hämmerten.

Des Weiteren wird mir in einem Mail mitgeteilt, dass alle Kommentare seit Donnerstag früh weg seien, dass man sich aber bemühe, diese wieder "hervorzuholen". Ja, da sind wir aber gespannt, meine lieben amerikanischen Freunde! Knurr.

O tempora, o mores!

Sonntag, 8. Mai 2011

Orlandos Follow-Ups: Kirche, Terror und Genuss

Nichts neues unter der Sonne, aber einige vertiefende Links bietet, ja empfiehlt Orlando's Bar heute zur Lektüre:

Im Psychotherapie-Blog von vorletzter Woche wurde die interessante Frage aufgeworfen, inwiefern die kirchliche Seelsorge als wörtlich genommene "Sorge um die Seele" Vorläufer ist, ja Vorbild sein könnte für eine Post-Freudianische Herangehensweise an die edle Aufgabe des soigner l'âme. Darin schwingt implizit die Frage nach der Bedeutung des Sakralen und der Theologie in einer säkularisierten Welt mit. Begreifen diese sich als Untersystem im Säkularen oder müssen sie nicht vielmehr wieder - mit einer gewissen Autorität - jene Rolle einnehmen, jenen Raum für sich reklamieren, deren sie im Zuge der Aufklärung und der heute vorherrschenden Tyrannei des Rationalen verlustig gegangen sind?
Kirche als ein Untersystem des Säkularen: die linke Kirchenpostille Reformiert (die bei Orlando für gewöhnlich direkt auf dem Altpapier landet), wartete in ihrer letzten Ausgabe mit einem doch sehr spannenden Streitgespräch zum Thema "Wie politisch soll die Kirche sein?" auf. Es stritten sich der neue Präsident des Evangelischen Kirchenbundes (EKS) Gottfried Locher und der Zürcher SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli. Eine wirklich empfehlenswerte Lektüre!

Osama bin Laden und kein Ende. Fehlte der gezielten Liquidierung des Terror-Masterminds die rechtsstaatliche Legitimation? Ist die Welt jetzt sicherer oder hat man erst recht einen Märtyrer geschaffen? Waren die Jubelfeiern, die sich nach der Nachricht von bin Ladens Tod spontan in den Strassen der amerikanischen Metropolen entfalteten, nicht etwas degoutant? Der Soziologe Wolfgang Sofsky - dessen Namen man sich merken sollte! - schreibt im Tagesanzeiger in einem Essay zum Rache-und Vergeltungkomplex im gegebenen Zusammenhang folgende interessante Zeilen:

"Mit der Entstehung des Zentralstaates wurden die Rachegötter entmachtet. Pallas Athene befriedete die Erinnyen, diese rastlose Meute schwarzer Racheengel, und verwandelte sie in glückliche Geister der Gerechtigkeit. Leviathan schliesslich verstaatlichte das Recht, beanspruchte alle Gewalt für sich und verteufelte die Rache als Willkür der Wilden. Seine Propaganda ist bis heute populär. Sie glaubt, mit dem sterblichen Gott des Staates eine neue Stufe zivilisatorischer Erlösung erreicht zu haben.

Statt der Opfer urteilen nun Richter und Könige. Der Verbrecher wird vor die Schranken des Gerichts geführt, verurteilt und bestraft. Mord ist nun kein Privatdelikt mehr, er wird von Staats wegen geahndet. Nicht die geschädigte Partei, sondern der Vertreter des Gesetzes stellt den Rechtsfrieden sicher. Genugtuung leistet der Rechtsstaat meist nicht. Er setzt das Recht wieder in Kraft und bleibt den Opfern die Gerechtigkeit schuldig.

In internationalen Angelegenheiten existiert keine Zentralmacht. Der Weltstaat ist ein Traumgebilde, und das Recht der Völker ist nichts als papierne Fiktion. Die Vereinten Nationen sind ein Spiegel internationaler Kräfteverhältnisse, keine souveräne Macht. Der Feldzug einiger Staaten gegen Banden, Netzwerke, Geheimzellen und selbst ernannte Gotteskrieger ist in keinem Gesetzbuch vorgesehen. Der Terrorkrieg findet überall statt: in Wohnquartieren und Bürotürmen, auf Bahnhöfen und Marktplätzen, in Diskotheken und Datennetzen, Berghöhlen und Fluchtburgen. Offene Feldschlachten gibt es nicht. Dass es in den Dunkelfeldern nach Vorschrift zugeht, ist noch weniger wahrscheinlich als im alten Krieg der Staaten oder Bürger. Aber gelegentlich kommt es zu Vergeltungsaktionen gegen den Feind, die der Gerechtigkeit Geltung verschaffen".

Und dann noch dies: Ein Salongespräch wider den gesundheitsfanatischen Zeitgeist. Orlando gesteht ein: der von ihm meistgehasste Schreiberling des Tamedia-Imperiums, der linksradikale ehemalige WOZ-Journalist Constantin Seibt, hat mit seinem Rauchergespräch mit Heinrich Villiger (Zigarrenfabrikant), Kurt Imhof (Soziologe und Zigarettenraucher) und Daniel Strassberg (Psychotherapeut und Pfeifenraucher) für einmal Saiten anzuschlagen vermocht, die in Orlando eitel Freude auslösten.

Montag, 2. Mai 2011

Bin Laden liquidiert

Osama Bin Laden ist gestern getötet worden. Der Drahtzieher hinter mehreren Terroranschlägen gegen die USA ist in Afghanistan von amerikanischen Spezialeinheiten liquidiert worden. Dies erklärte gestern Präsident Barack Obama.


Fast Zehn Jahre nach dem grössten Terroranschlag der Geschichte am 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York mit fast 3000 Opfern ist somit der Gerechtigkeit genüge getan. Am Abend von 9/11 versprach der frühere Präsident George W. Bush einer traumatisierten Welt, man werde nicht ruhen und die Drahtzeiher des feigen Anschlags jagen und töten, "to hunt down and kill". Das hat sich nun erfüllt.

Mission accomplished!

Die Hunt-Down-Episode hat etwas viel Zeit in Anspruch genommen, aber sämtliche involvierten Personen mussten sich im afghanischen Bergland jahrelang verstecken und wurden entweder verhaftet oder getötet. Ganze Legionen von Al-Qaida-Terroristen haben sich im Irak aufgerieben und gingen dort gegen die Amerikaner mit Selbstmordanschlägen in den Märtyrertod, und nicht auf westeuropäischen Weihnachtsmärkten oder in U-Bahnen von Grossstädten. Aber mit dem heutigen Tag findet nun auch dieses Kapitel in der Geschichte ein Ende. Die Gerechtigkeit hat gesiegt!

Judex ergo cum sedebit
Quidquid latet apparebit
Nil inultum remanebit

Eine Zäsur soll es sein auch für diesen Blog. Orlando' Bar macht Pause, vorläufig, vielleicht für immer. Wir werden sehen. Fürs erste: Friede sei mit euch.

Sonntag, 1. Mai 2011

Heraus zum ersten Mai!

Wir erleben bewegte Tage, fürwahr!

Erstens: Am Freitag The Royal Wedding© - Orlando konnte es natürlich dann doch nicht lassen und stellte, zusammen mit zwei Milliarden anderen Menschen, seinen Televisor an. Zwar bin ich Republikaner bis auf die Knochen aber plötzlich entsann ich mich, das 50% meiner Vorfahren ja auch lange Zeit, wenigstens formell, "unter" der Krone des Albion, im wohligen Schutz des Commonwealth, gelebt hatten und nicht mal schlecht im Vergleich zu Ländern mit anderen Souveränen. (Mein Grossvater hatte sogar noch im letzten grossen Krieg mitgetan auf der Seite Churchills - nie werde ich seine Ergriffenheit vergessen, als ich ihm mit 83 Jahren, er war schon fast blind aber er fühlte die Stadt, noch London zeigte, sein erstes Mal in der Metropole!)

Die Hochzeit, kurzum - Orlando war begeistert, hingerissen! Herzig die beiden. Eine Feier von allem was schön und gut ist! Liebe, Ehe, Familie, Kirche: echte und gute Werte. Diese Royals leben ja stellvertretend für uns anderen und nach den neurotischen Verwüstungen der letzten Generation können sie das nun ja vielleicht wieder als Vorbilder tun. Und das Prinzip Monarchie: diese Ausgerichtetheit auf den Thron gibt der Gesellschaft Richtung, Ordnung, Geordnetheit. Im Chaos gibt es keine Freiheit, aber das ist ein anderes Thema. Jedenfalls, der Premierminister ist zum Statisten degradiert, hinterste Reihe. Rührend wie die ganze Kirche "God save the Queen" singt ausser die alte
Dame selbst. Sie lässt sich vieltausendfach ansingen. Was muss ein Mensch in dem Moment fühlen?


Zweitens: Karol Wojtyła, alias Papst Johannes Paul II - der Papst meiner Generation - wird heute auf dem Patarsplatz in Rom von seinem Nnachfolger seliggesprochen. Santo subito! Hallelujah! Gratias agimus tibi propter magnam gloriam tuam!

Drittens: war da noch was...? Nun, wir wollen nicht so sein: Heute ist der erste Mai, Tag der Arbeit. Proletarier aller Länder vereinigt euch und hört die Signale. Nein, wir wollen wirklich nicht so sein und diesen Tag hier an der Bar auch irgendwie begehen. Ich könnte zum Beispiel eine Rotweinbowle mit Erd- und Himbeeren servieren, die ist schön rot. Die Internationale singt für uns heute mit gereckter Faust nicht Gregor Gysi (der redet am Bürkliplatz) sondern ein berufener Sozialist, unser geschätzter Fufi. Orlando dankt für seinen Beitrag.

DER ERSTE MAI - Drama in 4 Akten mit ungewissen Aussichten

von Fufi
1. DER SOZIALFEIERTAG?

Landauf landab treten sie ans Rednerpult - im Anzug mit Krawatte?!?
Sie labern was von Löhnen und Arbeitsbedingungen und so, jaja, sogar von Bildung!
Und vor allem von Integration von Integration von Integration von Integration von Integration.

Und danach wird gefeiert - Klartext: gefressen und gesoffen! Kebab und San Miguel.

Erstaunlich dabei: auch die Nicht-Links Wählenden machen mit und möchten den 1. Mai als arbeitsfreien Tag beibehalten, vor allem, wenn selbiger auf einen Arbeitstag fällt!
Ach ja, zur Erinnerung: Es gab Zeiten, da sie im Übergwändli am Pult standen, übernächtigt von der Nachtschicht, und die ArbeiterInnen auch im Übergwändli, wenn sie denn noch zur Arbeit mussten. Und dann gab's noch die, die STOLZ in ihren Uniformen sich mit den "Arbeitern"solidarisch zeigten. Und dann gab's noch die Arbeitslosen, die Alten und die Krüppel ... und noch keine ALV und noch keine IV und auch noch keine AHV!

Tja, die guten alten Zeiten!



2. DER TAG DER ARBEITERINNEN!

Lasst mich zunächst aus dem Nähkästchen plaudern:

Mein einer Urgrossvater wurde verkauft. Als Verdingbub. In das Dorf, wo ich heute lebe, und zwar gerade deswegen! - S'ist nämlich meine Heimat!
http://www.youtube.com/watch?v=K0aMfjHQyOw

Ein anderer meiner Urgrossväter war Fabrikarbeiter, ungelernt, 7 Tage à 10 Stunden.

Und er hatte eine Tochter - meine Grossmutter - sie war die älteste und sehr schön, schöner jedenfalls als seine Frau, die - inklusive Toten - 15 Kinder aus sich herausgepresst hatte. PUNKT! Und da gab's eine Katze. Und die hat mal den Sonntagsbraten geklaut. Ist ihr nicht gut bekommen: Mein Urgrossvater hat ihr mit dem Beil den Kopf abgehauen! Weiss allerdings nicht, ob's dann Katze zum Zmittag gegeben hat ... !

Könnt ihr euch vorstellen, was ein Sonntagsbraten damals gekostet hat? 1 Wochenlohn, oder so!

Jaja, SO ist's DAMALS zu und her gegangen, in den guten alten Zeiten!

Und WER hats geändert?

RICHTIG! Die GEWERKSCHAFTEN, in Zusammenarbeit mit den SOZIALDEMOKRATEN, oder auch umgekehrt! Jedenfalls waren's die, die, wenn's auch wenig war, dennoch VIEL zu verlieren hatten, und DOCH haben sie das, was sie verlieren konnten, auf's Spiel gesetzt!

Einige sogar ihr Leben. In Genf. 1918.
Und weshalb sie das taten?
http://www.youtube.com/watch?v=2bEU2AL_VRg&feature=related

Aber die GewerkschafterInnen haben sich nicht nur für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen eingesetzt. Ebenso wichtig war, dass sie in den "ArbeiterInnen" das Bewusstsein weckten, ebenfalls MENSCHEN zu sein! Sie haben ihnen Bildung ermöglicht, Sport, Kultur und Freizeitgestaltung angeboten und ihnen gerade damit den Weg zur sozialen Integration ermöglicht. Und dadurch auch das Bewusstsein, sich politisch für ihre eigenen Rechte engagieren zu dürfen!

Und zugleich haben sie damit viel, viel, sehr viel Elend in den "Arbeiterfamilien" gelindert!


3. WO SIND SIE GEBLIEBEN?


Und so haben die ArbeiterInnen schliesslich... - NEIN! Nicht gewonnen!

Ihr Sieg war ein Pyrrhussieg! Denn sobald es ihnen besser ging, haben sie den süssen Duft des Geldes gerochen! Sie konnten jetzt Ferien machen, leisteten sich zunächst ein "Kreidler Florett", und bald darauf sogar ein Auto. Und der Sonntagsbraten kostete auch keinen Wochenlohn mehr.

Einige konnten sich sogar ein Häusle leisten! Oder ihre Kinder studieren lassen, damit diese denn Geld, viel, VIEL GELD verdienen würden! Und dann haben sie vergessen, woher sie kamen und wer ihnen geholfen hat! Sie schauten vorwärts, sagten sie, aber sie dachten in "Money-Fiction"!

Unsere Kinder sollen es besser haben, sagten sie, und folgerichtig handelten sie politisch NICHT in ihrem aktuellen eigenen Interesse, sondern orientierten sich an ihren und ihrer Kinder und Kindeskinder EVENTUELLEN KÜNFTIGEN INTERESSEN! Tja, DIE sollen doch ernten, was WIR - hörte ich wirklich WIR? - für sie gesät haben - sagten sie!


4. KANNIXVERSTAN - HIGHWAY TO HELL?


Und darum haben wir heute nämlich keine ArbeiterInnen mehr, die für ihre Rechte kämpfen müssen. Sondern nur noch Angestellte, und DENEN geht's ja scheint's gut. Zum Beispiel im Gastrogewerbe. Und den autofahrenden Sklaven des Herrn NR Giezendanner. Tja, und Mallorca-Ferien werden ja auch immer billiger!

So ganz nach dem Motto:
http://www.youtube.com/watch?v=d-diB65scQU

Bloss: wenn denn halt der Lohn nicht reicht, um eine 4mäulige Familie zu ernähren, besonders bei einer Marktpreis-Miete, was dann ... ?

Tja, ehrlich gesagt, ICH versteh's nicht! Lieber GEGEN andere, als FÜR mich? Lieber FÜR andere, wenn auch GEGEN mich?

Tja, vielleicht ist's ja auch nur ein Spiel:

Zum Beispiel ALLE GEGEN ALLE? Oder gar VÖLKERBALL?


5. FUFI MEINT:


Wer sich HEUTE nicht wehrt, hat MORGEN verloren!
www.youtube.com/watch?v=w5_oxCQun_

Dienstag, 26. April 2011

Psychoanalyse

Heute analysiert unsere geschätzte Lina die Psychoanalyse - was sie taugt, wozu sie nicht taugt und was ihr fehlt: Die Psychoanalyse bei Lina auf der Couch, sozusagen. Orlando dankt für Lina für die Veredelung seiner Bar mit ihrer Carte Blanche.


Diachron zum nicht angekündigten Erfolg

Angedachtes zu Psychoanalyse (und noch Angedachteres zu Psychotherapie)

von Lina

I. Effektiv, weil teuer und blöd?

30 Stunden à 50 Minuten und CHF 5000 später: Ich marschiere durch Zürich, erleichtert und kuriert.

30 Stunden etc., d.h. 170 Stunden früher als vorgesehen und CHF 31'000 billiger als befürchtet, was, etwas enger gefasst, heisst: nach ein paar Sitzungen, die mir genau zwei (extern indizierte) Einsichten beschert hatten, und nach mehreren Liegungen, die mir genau keine einzige (extern indizierte) Einsicht beschert hatte, was wiederum heisst: nach dem beträchtlichen Aufwand von Zeit - insgesamt 70 Reisestunden - und Geld schaltete sich plötzlich ein fast vergessenes Gut ein: Geist. Bisher hing er wimmernd an der Analysandinnen-Garderobe, zweiter Haken; ich hatte ihn dort aufgegeben.

Ich fühlte mich - mitten in der Psychoparalyse - urplötzlich himmelzwirnlausig verarscht. Warum? Warum geschieht das urplötzlich nach nur 30 Stunden à nur 50 Minuten, nach lumpigen CHF 5000?

Nachdem der Analytiker - mit süffisantem Unterton, wie mir schien - festgestellt hatte, mein Freund halte mich möglicherweise für einzigartig, fühlte ich mich blitzartig - parallel zum Verarschtwordensein - so, wie ich mich schon immer fühlen wollte: in Ordnung, stinknormal. Mittelwertige Kränkungen, Spannungen, ein paar Beulen, Dellen, Kratzer, ein Perversiönchen dort, ein Ignoränzchen da, Sucht, ab und zu Lust auf Suizid. Welcher ernstzunehmende Mensch hat das nicht, hä?

Ich marschierte, nein, ich blitzte auf roten Schuhen durch Zürich wie eine raketenbetriebene Königin, blinzelte dann in die Sonne und war froh wie die Maus im Haberstroh.

Die Analyse funktioniert! Aber nicht wie der Analytiker will. Der grössenwahnsinnige, autoritäre, eifersüchtige, mega-eitle, kokainsüchtige, nonstoppaffende, ab Mitte 40 den Sex entbehrende Sigmund Freud (ansonsten: grandioser Typ) hat nicht vorgesehen, dass die Patientin kuriert wird, weil sie den Blödsinn der "Kur" während des Kuraufenthalts auf der Couch erfasst und sich - aus dem lächerlichen Tun windend, das die Lächerlichkeit der Welt abbildet - gesund und munter fühlt. Homerisch lachend.


II. Der Anfang

Meine Mutter. mater semper. Ein Karzinom im letzten Jahr. Kurz vor der Operation schrieb ich dem Analytiker eine E-Mail: Bitte empfangen Sie mich, in mir kommen ganze Geröllhalden in Bewegung. Er wies mich nicht ab. Schon nach der ersten Sitzung: Skepsis kroch im ganzen Körper umher, vom Magen in den Kopf, vom Kopf ins Bein. Als Alternative schrieb ich damals einen Dekalog mit dem Titel "Anstatt Analyse":

  1. mehr Horrorfilme schauen (vorzüglich Werwolffilme)
  2. beten
  3. den Abwasch regelmässig besorgen
  4. kompliziertes Zeug lesen
  5. krasse Geschichten schreiben
  6. immer wieder Barolo trinken
  7. Kindern in die Augen schauen
  8. den Körper meiner Mutter beobachten
  9. verzeihen
  10. Kurs zur Montage von Schneeketten besuchen (Garage Dosch)

Ein Anfang, was meint Ihr?

Meine Mutter überlebte, und ich ging trotzdem weiter in die Analyse; es war inspirierend. Ich schrieb und schrieb. An einem Tag - es war der Sonntag nach der zweiten Sitzung - gleich vier Texte: eine Kindergeschichte, eine Analyse-Story (es folgten noch weitere), eine Geschichte über eine Mutter, die ihr Kind verliert, die poetisierte Aufarbeitung eines Suizids. Dafür hat(te) sich der ganze Türk bereits gelohnt, ich sage es klar und deutlich: Der ganze Türk hat sich gelohnt. Aber nicht wegen der Psychoanalyse, sondern trotz der Psychoanalyes, gelohnt, einzig wegen meines Willens zur kreativen Auseinandersetzung mit dem Thema "Psychoanalyse", mit Freud, mit der Geschichte, mit dem Analytiker, mit dem Raum, in dem ich nun regelmässig lag. Die Reise in diesen Raum war inspirierend. Aber dort fand kein Gespräch statt. Es gab keine Richtung, kein Ziel, nicht einmal eine Antwort auf meine expliziten Fragen. So funktioniert Analyse nicht, sagte der Analytiker. Okay. So funktioniert Analyse nicht. Denn Analyse ist eine höchst autoritäre Sache. Und deshalb, lieber Herr Analytiker, Analyse funktioniert nicht "nicht so", sondern überhaupt nicht. Kein bisschen. Denn es gibt ein


III. Problem, grundsätzlich

"Schon hier zeigt sich das grundlegend fatale sog. hermeneutische Missverständnis der Psychoanalyse:

Freud hatte - wie die meisten PsychoanalytikerInnen - in der Tat eine ganz seltsame und völlig abwegige Auffassung von Wissenschaft: sie verwechselten Ideen, Assoziationen und Phantasien, die ihr Geist zu einem Thema produzierte und mit dem die Wissenschaft anfängt mit dem Ende der Wissenschaft. Sie erkannten nicht, daß die Wissenschaft damit zwar anfängt, dann aber kommt die harte Arbeit des Daten Sammelns, Belege Suchens, Experimente, Untersuchungen und empirische Erhebungen Durchführens, des faktischen und schlüssigen Zeigens und Beweisens, der Evaluation. Sein absonderliches und abwegiges Vorgehen hat Freud sogar versucht, mit einem eigenen Prinzip zu rechtfertigen, wonach überhaupt nur PsychoanalytikerInnen fähig waren, psycho-patho-logische Erkenntnisse zu gewinnen. Daraus hat sich ein weiteres seltsames Phänomen ergeben, das der grenzenlosen Überhebung, eine Art Auserwähltgebaren und in der Folge Isolierung, Abschirmung und Abschottung, ja eine Art mentale Inzucht. Zu einer Vorbedingung, ob eine psychoanalytische Aussage richtig oder falsch ist, mußte man der Zunft der PsychoanalytikerInnen angehören: Psychoanalyse ist damit zur scholastischen Theologie demutiert.

Die traditionellen PsychoanalytikerInnen im Geiste Freuds mein(t)en, sie könnten bequem im Sessel durch bloßes Denken und Phantasieren das mühselige empirisch- experimentelle Geschäft des Wissen-Schaffens umgehen. Damit ist ein extremer Subjektivismus und Literarismus an die Stelle empirischer Forschung getreten, was gut erklärt, daß praktisch jede PsychoanalytikerIn letztlich ihre "eigene Schule" bildet. Das einzige Kriterium für richtig und falsch wird die subjektive Phantasie, das Für-Wahr-Halten der PsychoanalytikerIn. Nachdem experimentelle und empirische Kriterien mißachtet und für irrelevant gehalten wurden, ist eine Situation eingetreten wie in der Theologie und mittelalterlichen Scholastik. Um einen Sachverhalt aufzuklären, untersucht man den Sachverhalt nicht experimentell und empirisch, man schlägt bei Freud nach, wie weiland die Theologen sich weigerten, einfachste Experimente durchzuführen und stattdessen lieber bei Aristoteles nachlasen, was der meinte - wie es Brecht in seinem Galilei auf unnachahmliche Weise brandmarkte und geißelte." http://www.sgipt.org/th_schul/pa/gesch/kokain.htm

Kann man das besser sagen? Ja, definitiv. Aber das ist inhaltlich schon ziemlich gut, oder?

Was ich dazufügen möchte (ganz kurz, keine Angst!): Der Psychoanalyse fehlt ein spirituelles Fundament, ein Glaube, die Liebe zum Menschen.

IV. Nützt *hoffnungschöpf * Psychotherapie?

Dass ich der Meinung bin, Psychoanalyse sei der reinste Habakuk (und trotzdem in meinem Fall keineswegs sinnlos), habe ich oben kund getan. Lustigerweise hat dies auch meine Meinung betr. Wirksamkeit und Nutzen der Psychotherapie stark angegriffen. Ich halte auch die Psychotherapie, spätestens seit letzer Woche, für komplett überflüssig, wenn nicht schädlich.

Was fehlt ihr? Ich habe da ein paar Ansätze. Ihr auch? Lasst uns darüber reden! Unten.

***

Bilder: Freuds Originalcouch in Wien (oben), "Sigmund Freud" von Ludvik Glazer-Naude (unten)

Montag, 25. April 2011

Ostermontag

Fassen wir das Geschehen zusammen: Der Jesus ist also verhaftet, gefoltert und gekreuzigt worden und am dritten Tage auferstanden. Er ist damit zum Christus geworden und der Göttliche Heilsplan hat sich erfüllt. Jesus hat als Opferlamm die Sünden der Welt hinweggewaschen und jetzt sind wir alle erlöst. Schön.

Aber was jetzt?

Das werden sich auch die Jünger gefragt haben. Etwas ätzend ist es ja schon: Da schickt der Herr seinen Sohn, lässt ihn Wunder vollbringen, leiden und sterben und auferstehen, uns alle erlösen - und wozu? Für ein Königreich im Himmel. Schön und gut, aber was haben wir hier unten davon, werden sie sich gefragt haben in ihrer Trauer und Enttäuschung. Zwei von ihnen befanden sich auf dem Weg nach Emmaus, als der Herr ihnen in ihrer Agonie abermals erschien und sie ihn nicht erkannten. Hier ist diese Begebenheit sehr schön zusammengefasst und erklärt.

Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren und trägen Herzens, zu glauben alle dem, was die Propheten geredet haben! Mußte nicht Christus solches leiden und zu seiner Herrlichkeit eingehen? Und fing an von Mose und allen Propheten und legte ihnen alle Schriften aus, die von ihm gesagt waren. (Luk 24:25-27)

Zwei Dinge sind bemerkenswert:

1) Es braucht jetzt einen kathartischen Augenblick, ein Aha-Erlebnis seitens der Jünger.
2) Christus spricht zu ihnen von der heiligen Schrift, vom Auszug aus dem Paradies, von Noah, von Moses und der Erwartung des Messias.

Und er setzt das Geschehen in einen grossen heilsgeschichtlichen Zusammenhang: er nimmt sein Zweites Kommen, den Anbruch seiner Herrschaft ad dexteram Patris voraus - die Parusie. Das Ende der Geschichte, der Moment wo nach Luther Zeit und Raum zusammenkommen, Gleichzeitigeit des Ungleichzeitigen. Der jüngste Tag, an dem die irdische Herrschaft Gottes anbricht. Und eine Art paradiesischer Zustand wieder hergestellt wird.

Am Abend erscheint er der versammelten Jüngerschar erneut und entbietet i
hnen den Friedensgruss: Pax vobiscum!

Er sprach aber zu ihnen: Das sind die Reden, die ich zu euch sagte, da ich noch bei euch war; denn es muß alles erfüllet werden, was von mir geschrieben ist im Gesetz Mose's, in den Propheten und in den Psalmen. Da öffnete er ihnen das Verständnis, daß sie die Schrift verstanden, und er sprach zu ihnen: Also ist's geschrieben, und also mußte Christus leiden und auferstehen von den Toten am dritten Tage und predigen lassen in seinem Namen Buße und Vergebung der Sünden unter allen Völkern und anheben zu Jerusalem. Ihr aber seid des alles Zeugen. Und siehe, ich will auf euch senden die Verheißung meines Vaters. Ihr aber sollt in der Stadt Jerusalem bleiben, bis ihr angetan werdet mit der Kraft aus der Höhe. (Luk, 24:44-49)

Und tritt mit ihnen hinaus und fährt gen Himmel! Sie aber gingen in den Tempel und lobpreisten Gott!
Vierzig Tage werden jetzt vergehen, vierzig Tage zwischen seiner Auferstehung und seiner Auffahrt. Aus den Jüngern werden Apostel werden, aus den Schülern werden Botschafter mit klarem Auftrag. Und diese Mission wird die Welt verändern.

Hier endet nun Orlandos Karblog. Diese kleine Übung hat mir grossen Spass gemacht und es ist mir Schnuppe, was meine Gäste davon halten. Mir selber hat dieses (persönliche) Naherlebnis das Verständnis für einige zentrale Glaubensinhalte des Christentums geöffnet. Ich hoffe sie alle hatten eine schöne Ostern. Geniessen sie den Tag mit ihren Lieben und bleiben sie mir gewogen.

Freitag, 22. April 2011

Ostern

et ressurexit! - The Lord has risen!

Viel stärker und wichtiger noch als Jesu Leben und Wirken und sein Tod am Kreuz ist seine Auferstehung von den Toten an Ostern. Heute wird Jesus zum Christus, die Vorsehung erfüllt sich, ein neues Zeitalter bricht an. Am heutigen wichtigsten Tag des christlichen Jahres hat Gott den Bund mit den Menschen erneuert und die gesamte Schöpfung erlöst. An seiner Seite sitzt Jesus Christus im Himmelreich - ad dexteram Patris.

Zu unterscheiden sind die Bedeutungen von Ostern in drei übergeordneten, ineinander verwobenen Narrativen:

1) Ostern ist nicht nur der dritte Akt im Passionsgeschehen, sondern der Tag markiert den Wendepunkt, ist der erste Tag der neuen Zeit. Die ersten beiden umfassen Abendmahl, Kreuzigung, Grabesruhe (Ostersamstag). Ostern, der Auferstehungstag bezieht sich auf die Entdeckung des leeren Grabes am „ersten Tag der Woche“ (Mk, 16:2, Matt 28:1, Luk 24:1, Joh 20:1) und auf die Jesuserscheinung vor einigen seiner Jünger am Abend desselben Tages (Luk 24,21). Zudem bringt diese geprägte Formel Jesu Auferstehung mit mehreren vorgegebenen Traditionen in Verbindung. So ist der „dritte Tag“ im jüdischen Tanach (hlg. Schrift) häufig der Tag einer Rettung aus Todesnot und ultimativen Wende zum Heil durch Gottes Eingreifen in die Geschichte.

2) Pasqua (aram. pas-cha) ist sprachlich und theologisch mit dem jüdischen Pesssach verbunden und weist damit auf die unauflösbare Beziehung der Auferstehung Jesu zur Schöpfungsgeschichte, zum Opfer Isaaks, zum Auszug der Israeliten aus der Sklaverei, der Durchquerung des Roten Meeres, des Opferlammes und die bleibende Angewiesenheit des Christentums auf dessen Wurzeln aus dem Judentum hin.

3) Darüber hinaus ist unmissverständlich klar geworden, dass Jesus Christus der Messias, der Gesalbte, der Heilsbringer aus dem Alten Testament ist. Es ist durch die Vorsehung und durch die jüdischen Propheten legitimiert. Abgelehnt vom jüdischen Volk, das einen politischen Einiger und neuen irdischen König erwartete, errichtet Christus sein Königreich zunächst im Himmel um in seinem Zweiten Kommen am Jüngsten Tag sein Friedensreich auch auf Erden zu errichten.


Zum heutigen Tage der Auferstehung und Erlösung veröffentlicht Orlando's Bar exklusiv eine Morgenmeditation unseres geschätzten lic. theol. Fufi.


(Achtung: Ich schreibe diesen Text ausdrücklich als evangelisch-reformierter Theologe!)

An Ostern feiern wir die Auferstehung des am Kreuz ermordeten Jesus von den Toten.

Und wir Christen stimmen zumindest darin überein, dass mit dem Tod Jesu und seiner Auferstehung wir Menschen erlöst sind.

Aber bereits da sind wir Christen schon uneins, nämlich in der Frage:

Wie hat das denn geschehen können?

Und noch viel uneiniger sind wir, wenn's denn drum geht, die Konse

quenzen der Erlösung für unseres eigenes Leben zu bedenken.

Ihr alle kennt die leider häufig sehr dunkle Geschichte der Kirchen und der sogenannten "Gläubigen", und ich hoffe für euch, dass ihr diese deren schlechte Seiten nicht habt an der eigenen Seele erfahren müssen!

Deshalb sage ich hier nur meine eigene Meinung, und die geht so:

Indem GOTT den MENSCHEN zugelassen hat, seinen Sohn zu ermorden, sagte er ihnen: Hey Jungs und Mädels, ihr könnt gar nicht derart bescheuert tun, dass ich euch denn deswegen nicht mehr so sehr lieben würde, wie ich das schon immer getan habe!

Zur Erinnerung an alle Bibelfesten:

Mögt ihr euch erinnern, was der Herr als erstes getan hat, nachdem der Herr die Menschen aus dem Paradies verjagt hat?

Richtig: GOTT DER HERR machte dem Menschen und seinem Weibe Röcke von Fell und legte sie Ihnen um (Gen 3,21)!!!

Wenn wir Menschen nun also durch Jesu Tod und Auferstehung erlöst sind, dann, ja dann können wir selbst nämlich gar nichts mehr dafür tun. Und wenn wir nichts dafür tun können, können wir schon gar nichts dafür tun müssen! Isch doch logisch, oder?

Wir können uns also noch so fromm und religiös gebärden, ein one-way-ticket ins Paradies können wir uns damit bestimmt nicht erkaufen, denn genau dieses irgendwelchen "göttlichen-wenn-auch-von-Menschen-erfundenen-Gesetzen-gehorchen-zu-müssen-um-in-den-Himmel-zu-kommen" hat Jesus aufgehoben und ad absurdum geführt! In ihm sei das Gesetz erfüllt, sagt er, und: er hat keine direkten Handlungsanweisungen gegeben, ausser "So sollt ihr beten" (Mt 6, 5ff). Und ganz besonders natürlich das "höchste Gebot", nämlich Gott und den Nächsten zu lieben wie uns selbst (Mt 22,36ff)!

Und nur das sollen und können wir nämlich auch!



JA! Wir sind erlöst! DEFINITIV!

JA! Wir sind frei von religiösen Zwängen! Endgültig und ein für allemal!

Und genau deshalb sind wir aufgerufen, uns als reife, freie und nur Gott verantwortliche Christen zu benehmen. Wir haben nichts zu verlieren, aber bereits alles gewonnen!

Um es mit einer meiner Lieblings-Bibelstelle zu sagen:

"Alles ist mir erlaubt, aber nicht alles ist zuträglich. Alles ist mir erlaubt, aber nichts soll Macht haben über mich." (Paulus in 1Kor 6,12).

Freuen wir uns also, und vergessen wir alles verknorzt-weinerlich-selbsterniedrigende religiöse Getue. Auf den Punkt gebracht hat das der gute alte Dr. Martin Luther:

"Aus einem verzagten Arsch ist noch kein fröhlicher Furz gekrochen!"


Gustav Mahler widmete der Auferstehung des Herrn seine zweite Sinfonie. In diesem Sinne wünschen Orlando und Fufi euch allen frohe Ostern!

Karfreitag

via dolorosa - schmerzenreiche Strasse

Zwischen Mittag und 15.00 verdunkelte sich nach der Überlieferung die Sonne im ganzen Land. Am Karfreitag verdunkelt sich unser Antlitz, Menschen die wir sind - man möchte sein Gesicht vergraben, eine Kapuze oder ein Kopftuch überziehen, eine Sonnenbrille und einen Schal anziehen. Am heutigen Tag wurde der Menschen Sohn verraten, verleugnet, verhaftet, gerichtet, gefoltert, gequält, ausgepeitscht, verhöhnt, ans Kreuz geschlagen und er verreckte elendiglich. Ecce homo. I.N.R.I. - Gottes eigener Sohn verdurstet, tödlich verwundet, blutend, mit Dornenkrone, Eisennägel durch Hände und Füsse gerammt, halbnackt, mit einem Speer verwundet.


Der höchsten Schmerzen Tag! Da müsste, wähn ich, was lebt, was atmet, nur weinen ach und trauern!

Es ist das Urbild unserer Kultur. Anthropologisch gesehen relativ jung. Aber: es ist das bisher Radikalste, was ein Mensch denken kann, und deshalb hat es die Welt so radikal verändert, und tut es noch heute. Es ist die eine Hälfte dessen, was das Christentum, was Gottes Heils
plan ausmacht: Gott opfert seinen eigenen Sohn, der die Sündenlast hinwegträgt und uns alle erlöst: Das Angebot Gottes ist verstörend, total, beispiellos.

Ein politisches Hickhack ist in den Evangelien übereinstimmend belegt: die Passion des Jesus von Nazareth. Die Häscher suchten in im Garten Gethsemane auf, wo er gestern Abend mit den Jüngern gebetet hatte. Durch seinen Kuss identifiziere Judas den Nazarener (siehe Karmittwoch) und auch seine Vorsehung, dass Petrus in zweimal verleugnete, bewahrheitete sich, bevor der Hahn krähte. Jesus wurde am Morgen vor die Hohepriester gebracht, die ihn der Blasphemie beschuldigten. Da sie keine Kompetenz hatten, ihn zum Tode zu verurteilen, gelangten sie am Freitag morgen an den römischen Statthalter Pontius Pilatus. Weil sich Jesus laut Anklage der jüdischen Hohepriester selber zum „König der Juden“ gemacht habe, sei er
damit zu einer Bedrohung für den Kaiser in Rom und dessen Territorialansprüche geworden. Pilatus hatte ein mulmiges Gefühl bei der Sache und liess dem Volk die Wahl: heute lass' ich einen Gefangenen frei, wen wollt ihr, Jesus oder Barrabas? Das Volk wählte den letzteren. Pontius Pilatus hatte eine weitere Idee: Er berief Herodes Antipas, den König der Galiläer, der schon Johannes den Täufer hatte töten lassen - er solle über den Nazarener richten. Da dieser von Jesus weder eine Antwort noch ein Wunder zu sehen bekam, legte er ein purpurnes Gewand an, verspottete ihn und erliess den Befehl zur Vollstreckung der Todesstrafe. So ko
nnte sich Pilatus seine Hände in Unschuld waschen.

via dolorosa, via crucis: Dem Verurteilten wurde ein Kreuz auferlegt, er sollte sein eigenes Todesinstrument durch die Strassen Jerusalems zum Hügel Golgatha tragen. 1991 definierte Papst Johannes Paul II. folgende 14 Stationen nach der Heiligen Schrift (wovon allerdings direkt in den Evangelien nur deren acht belegt sind), die eine umfassende Version des Kreuzweges darstellen:

  1. Jesus im Ölberg: im Garten Gethsemane trug er seinen Jüngern auf, auf ihn Acht zu geben, während er abgeschieden zu seinem Vater betete. Als er nach einer Stunde zurückkam, waren die Jünger eingeschlafen: "Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach" (Matth. 26.36)
  2. Jesus wird verhaftet: Judas verrät ihn an die Häscher.
  3. Jesus vor der Priesterschaft, den Sanhedrin: "Wenn du der Messias bist, dann sag es uns!" - «Ihr glaubt doch nicht, was ich euch sage (...) Schon bald wird der Menschensohn auf dem Platz an der rechten Seite Gottes sitzen.» - empört schrien alle: «Willst du damit etwa sagen, daß du der Sohn Gottes bist?» Jesus antwortete: «Ihr habt recht, ich bin es!" - "Wozu brauchen wir noch Zeugem, wir alle haben die Gotteslästerung gehört". (Luk 22:66-71)
  4. Jesus wird von Petrus verleugnet: Petrus (siehe Karmittwoch) setzte sich im Hofe des Geängnisses zu einigen Leuten, eine Frau erkannte ihn und sagte: "Du bis auch einer von enen!" - Petrus sprach: "Ich kenne ihn nicht".
  5. Jesus vor Pontius Pilatus
  6. Jesus wird ausgepeitscht und geschlagen. Eine Dornenkrone wird auf sein Haupt gesetzt.
  7. Jesus trägt das Holzkreuz. Unter den "Kreuzigt ihn!"-Rufen der Priester und des Volkes tritt Jesus den Weg zum Kalvarienberg an.
  8. Simon von Cyrene wird gezwungen, Jesus das Kreuz zu tragen.
  9. Jesus trifft auf die Frauen von Jerusalem: "Töchter Jerusalems, weinet nicht über mich, sondern weinet über euch selbst und über eure Kinder; denn siehe, Tage kommen, an welchen man sagen wird: Glückselig die Unfruchtbaren und die Leiber, die nicht geboren, und die Brüste, die nicht gesäugt haben! Dann werden sie anheben, zu den Bergen zu sagen: Fallet auf uns! und zu den Hügeln: Bedecket uns! Denn wenn man dies tut an dem grünen Holze, was wird an dem dürren geschehen?" (Luk, 23:27-31)
  10. Jesus wird an das Kreuz geschlagen. So wie zwei verurteilte Kriminelle zu beiden Seiten von Jesu Kreuz. "Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun" (Lukas 23:34)
  11. Jesus verheisst sein Königreich dem guten Dieb. Der eine der anderen Gekreuzigten sagte: "Bist du nicht der Messias? Rette uns und dich!". "Der andere aber antwortete und strafte ihn und sprach: Auch du fürchtest Gott nicht, da du in demselben Gericht bist? Und wir zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsere Taten wert sind; dieser aber hat nichts Ungeziemendes getan.Und er sprach zu Jesu: Gedenke meiner, Herr wenn du in deinem Reiche kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradiese sein." (Lukas 23:40-43)
  12. Jesus spricht zu seiner Mutter und dem geliebten Jünger. Der geliebte Jünger ist vermutlich Johannes. "Mutter, nimm ihn als deinen Sohn an!".
  13. Jesus stirbt am Kreuz. "Es war aber um die sechste Stunde; und es kam eine Finsternis über das ganze Land bis zur neunten Stunde. Und die Sonne ward verfinstert, und der Vorhang des Tempels riß mitten entzwei. Und Jesus rief mit lauter Stimme und sprach: Vater, in deine Hände übergebe ich meinen Geist! Und als er dies gesagt hatte, verschied er." (Luk 23:44-46)
  14. Grablegung Jesu. Am Abend sprach Joseph von Arimathea bei Pilatus vor und verlangte den Leichnam des Jesus. Er wickelte ihn in Leinen und brachte ihn zu einer Höhle und rollte einen grossen Stein vor den Eingang.
"Consumatum est" - es ist vollbracht.

Donnerstag, 21. April 2011

Gründonnerstag

-- O sacrum convivium - o heiliges Gastmahl!

Gegen Ende der Karwoche - nach neuesten Erkenntnissen am Mittwoch,1. April 33 - haben sich Jesus von Nazareth und seine Apostel zu ihrem letzten gemeinsamen Mahl versammelt (Bild: Juan de Juanes 1523-79). Man halte sich vor Augen, dass die Geschehnisse sich im Kontext des jüdischen Pessah-Festes zutrugen. Die dreizehnköpfige Gemeinschaft plus Zugewandte verstanden sich als Juden und achteten die Gebote. Das Markus-Evangelium (14:18 ff.) erzählt die Geschichte so:

"Und als sie zu Tische saßen und aßen, sprach Jesus: Wahrlich, ich sage euch: Einer unter euch, der mit mir isset, wird mich verraten. 19. Und sie wurden traurig und sagten zu ihm, einer nach dem anderen: Bin ich's? und der andere: Bin ich's? 20. Er antwortete und sprach zu ihnen: Einer aus den Zwölfen, der mit mir in die Schüssel taucht. 21. Zwar des Menschen Sohn geht hin, wie von ihm geschrieben steht; weh aber dem Menschen, durch welchen des Menschen Sohn verraten wird. Es wäre demselben Menschen besser, daß er nie geboren wäre.
22. Und indem sie aßen, nahm Jesus das Brot, dankte und brach's und gab's ihnen und sprach: Nehmet, esset; das ist mein Leib. 23. Und nahm den Kelch, dankte und gab ihnen den; und sie tranken alle daraus. 24. Und er sprach zu ihnen: Das ist mein Blut des neuen Testamentes, das für viele vergossen wird. 25. Wahrlich, ich sage euch, daß ich hinfort nicht trinken werde vom Gewächs des Weinstocks bis auf den Tag, da ich's neu trinke in dem Reich Gottes."

Der Gründonnerstag steht ganz im Zeichen der Erinnerung dieses zentralen Geschehens. In der Eucharistiefeier, der heiligen Kommunion im katholischen, der Abendmahlsfeier im reformierten Ritus, wird bis auf den heutigen Tag der Worte Jesu ("das ist mein Leib, mein Blut") gedacht und gleichsam wird dabei Christus in der eucharistischen Gemeinschaft mit seinem Wort, im Glauben, und in den Gaben von Brot und Wein gegenwärtig. Aus der Beschaffenheit dieser Gegenwart ergibt sich einer der Hauptunterschiede im Kirchenverständnis zwischen Protestanten und Katholiken (Transubstantation): Für die Reformierten gilt solus Christus, sola scriptura - geistige Präsenz in Wort und Glauben, während die Römisch-Katholische Kirche totus Christus, der Leib des Christus selbst ist, der Leib und das Blut Christi in der Kommunion eben real anwesend sind.

Zu Pessah wurden überall im Land die Lämmer geschlachtet. Die Lamm-Motivik nimmt auch in der Oster-Theologie einen grossen Raum ein: Christus ist das Opferlamm Gottes Agnus Dei, das "geschlachtet" wurde, um die Sünde der Welt hinwegzutragen - Agnus Dei, qui tollis peccata mundi, miserere nobis.

Was aber haben Jesus und die Jünger gegessen? Die Bibel schweigt dazu, wir wissen bloss, dass an der Tafel Wein und Brot gereicht wurden. Aber was noch? Gab es nicht wenigstens eine Gemüsebeilage oder einen Brotaufstrich?
Es ist offensichtlich, dass neben dem theologischen in der Abendmahlsepisode auch eine "Bauch"-Seite angesprochen wird, es handelt sich um ein Gastmahl, nicht um eine kultische Handlung. Es ist davon auszugehen, dass der oder die unbekannten Gastgeber ordentlich was aufgetischt haben. Den Sohn Gottes hat man nicht jeden Tag im Haus!
Vermutlich war es ein kosheres Buffet (kein Schweinefleisch, keine Milchprodukte mit Fleisch zusammen), diese Grundgesetze sind in der Tora festgelegt. Wahrscheinlich hat man auch frisch geschächtetes Lammfleisch gegessen. Es dürften landesübliche Früchte und (z.B. eingelegte) Gemüse, sowie möglicherweise auch Fisch verspiesen worden sein. Eine hübsche moderne Version haben irre Spezialisten zusammengestellt und nachgekocht.

Wäre Orlando einer der Jünger gewesen, er hätte sich wohl an dem gebackenen Apfel, der Koriandersuppe und dem Lammgigotbraten mit Aprikosen delektiert, die Bratensauce mit dem ungesäuerten Brot aufgeputzt, hätte ein paar Eier und leckere Tzimmes und Jerusalem Pickels gegessen, und die Caramelmandeln zum Dessert gelobt, eine frische Feige mit dem Messer schälend. Die Tischgespräche dürften mit solch ausergewöhnlichen Menschen gewiss ein weiterer Pluspunkt des Gastmahls gewesen sein.

Mit der Gabenbereitung im liturgischen Kontext zwingend verbunden ist übrigens der berühmte und wunderschöne Hymnus "Ubi caritas":

Ubi caritas et amor
Deus ibi est.
Congregavit nos in unum Christi amor
exsultemus et in ipso iucundemur.
timeamus et amemus Deum vivum
et ex corde diligamus nos sincero.

(Zusammengebracht in eins hat uns die Liebe Christi
lasset uns jauchzen und uns in ihm freuen
lasset uns fürchten und lieben den lebendigen Gott
und von Herzen uns einander lieb haben.)

"Wo Güte und Liebe ist, da ist Gott" - die schönste musikalische Version, die ich kenne, ist ein feiner Chorsatz des französischen Nachkriegskomponisten Maurice Duruflé.